Vathsala Aithal plädiert in ihrem Vortrag in der Kolping-Akademie für einen deutlich offeneren Begriff von „Kultur“. Bild: Kolping Akademie Würzburg

Das „Wir“ und „Ihr“ überwinden – Vathsala Aithal hinterfragt den Begriff „Integration“

Im Rahmen der Reihe „Global Würzburg – GLOW“ luden der Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg und die Kolping Akademie zu einem Vortrag der promovierten Erziehungswissenschaftlerin Dr. Vathsala Aithal ein, die bis März als Professorin für International Social Work an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt tätig war. Sie hinterfragte, wie Integration in Deutschland bisher verstanden wird, und fragte: Sind wir wirklich für ein Leben in einer „bunten“ Gesellschaft gerüstet?

Deutschland verfüge seit 2007 über einen umfangreichen Integrationsplan mit rund 400 Maßnahmen. Doch genau hier liege das Problem, so Aithal. Der Begriff „Integration“ führe zu einem Denken in Lagern – in „Wir“ und „Ihr“, in Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft. „Integration“ impliziere, dass es ein dominantes „Wir“ gebe, in das andere erst hineinpassen müssten. Viele Menschen der zweiten oder dritten Einwanderergeneration fühlten sich dadurch dauerhaft ausgeschlossen und wanderten frustriert in die Herkunftsländer ihrer Eltern oder Großeltern aus – nur um dort wiederum nicht als Teil des „Wir“ anerkannt zu werden.

Die Kolping Akademie ist seit Jahren ein Ort, an dem Begegnung und Austausch aktiv gefördert werden. Sprachkurse und Bildungsangebote ermöglichen es Menschen mit Migrationserfahrung, Teilhabe zu erleben und tragen dazu bei, Barrieren zwischen „Wir“ und „Ihr“ abzubauen. Solche Räume der Begegnung sind wichtig. Aithal plädierte darüber hinaus dafür, nicht Menschengruppen, sondern gesellschaftliche Probleme in den Blick zu nehmen: Wohnungsnot betreffe längst nicht nur Zugewanderte, sondern auch Menschen, die seit Generationen in Deutschland leben. Sprachförderung sei wichtig, doch ebenso der Respekt für das, was Migrantinnen und Migranten mitbringen – ihre Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt. „Kultur ist niemals statisch, sie verändert sich durch viele Einflüsse“, betonte sie.

Mit persönlichen Erfahrungen – etwa der Frage „Wo kommst du her?“ – zeigte Aithal, wie subtil Ausgrenzung wirken kann. Ihr Appell: Kultur neu denken, Vielfalt als Selbstverständlichkeit begreifen und das trennende „Wir“ und „Ihr“ überwinden.

Der Abend in der Kolping Akademie zeigte eindrucksvoll, wie bereichernd offene Debatten über Migration und Zusammenleben sein können und dass Würzburgs „bunte Gesellschaft“ längst gelebte Realität ist.
Ausblick auf GLOW 2025: Die Reihe „Global Würzburg – GLOW“ läuft noch bis Ende November 2025 mit rund 20 weiteren Veranstaltungen. Der aktuelle Veranstaltungsplan ist auf der Webseite des Ausländer- und Integrationsbeirats der Stadt Würzburg abrufbar.

Diese Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg und der Kolping Akademie statt.